Von der Freude von restaurierter Mechanik - die Nikon F2

  • Eins vorweg, soweit es meine derzeit knappe Zeit zuläßt, photographiere ich freilich immer noch gerne auf Großformat.
    Nein und ich hege auch nicht die Absicht mich hier abmelden zu wollen.

    Und dennoch hatte ich mich vor Wochen zu einer(m) lang geplanten (Reparatur / Restaurierschritt) durchgerungen,
    der mein photographisch, mechanisch analoges Leben auf den Kopf stellen sollte. Davon möchte ich Euch hier berichten:

    Irgendwie gefallen mir alle (analogen) Kameras . . . und davon hatte ich in meinem Photoleben sehr viele besessen.
    Wollt ich gar nicht, hat sich aber so ergeben.
    Kaum hatte ich nämlich meine klassische 5er Kombi (also 2 Gehäuse, 28er, 50er 85 / 105er so, oder so ähnlich) zusammen,
    kam jemand, der eben genau das von mir haben wollte. Und so kam die nächste Kamera zu mir. Egal ob die stabile Minolta SRT,
    das photographierende Juwel Contax RTS, die filigrane Preziose Olympus OM-2, das Photobrikett Leica R8, die leise Leica M6
    oder Bildmaschinen wie die Canon F1n oder Nikon F2 Bodys, alle hatten etwas besonderes. Um jetzt nur mal bei Kleinbild zu bleiben.

    Treu geblieben bin ich, jedoch seit ich photographiere, immer meiner Nikon F2.
    Für mich die beste mechanische Kleinbildkamera, die jemals gebaut worden war!
    Schon alleine die Fähigkeit der Nikon Ingenieure eine dermaßen robuste Kamera zu konstruieren – ein mechanisches Wunder.

    Ich kann mich noch zu gut erinnern, als ich mir vor ungefähr 40 Jahren meine erste F2 kaufen konnte. . da platzte ich vor Freude und Stolz.
    Das war für mich phototechnisch eine völlig neue Dimension. Mit dieser Kamera hatte ich z.B. auf dem Weltwirtschaftsgipfel Helmut Kohl und
    Jelzin photographiert, eine halbe Stunde später stand ich zwischen den Demonstranten. Lew Kopolev, Nina Simone - Sowas prägt.

    Freilich läßt sich hier und heute trefflich darüber sinnieren, ob man jemals einen belichteten 36er Tri-X Pan Film komplett auf Papier
    belichten würde, geht mir ja auch durch den Kopf . . . doch was für eine Freude macht es, durch den Sucher dieser phantastischen Kamera,
    die Welt zu entdecken, Filme überhaupt erstmal mit ihr zu belichten zu können.
    MFT Kurven und anderer theoretischer Testscheiß hat mich damals wie heute nie wirklich interessiert.
    Mit den normalen Nikon Objektiven war ich stets zufrieden.

    Allen voran das phantastische Nikkor 1:2,5 105mm oder das wunderbare Nikkor 1:2.0 50mm, - um nur mal zwei zu nennen.
    Wozu brauche ich da den ganzen APO Blödsinn? Die Nikon wäre meine Kamera für die einsame Insel.
    Nikon und Tri-X Pan, Rodinal, das ist meine Art zu sehen. Streetphotography – so was.
    Und mit den Jahren baute ich dann „irgendwie“ auch ein sehr emotionales Verhältnis zu den 1127gr Metall, Kunststoff und Glas auf.
    Die Gewichtsangabe bezieht sich hier auf ein F2AS Body mit mit einem 1:1,4 50mm Objektiv.
    Ja, ich mags gerne massiv und schwer. Alles ok! Da geht auch mal eine 1/8 Sekunde aus der Hand, - so mein Credo.

    Doch auch eine Nikon F2 braucht mal Pflege. Plötzlich machte dort eine Photowerkstatt zu, dann ging der Digitalscheiß los und die
    mechanische Luft wurde mit den Jahren immer dünner. Ersatzteilprobleme trieben mir zusätzlich den Angstschweiß auf die Stirn.
    Die analogen Dramen - meine Dramen - nahmen ihren Lauf. Und klar, auch eine F2 machte mal längere Verschlußzeiten als nötig,
    die Nadel des Belichtungsmesser begann zu zittern. In der Regel wird mit solchem Unbill die Totenglocke einer F2 eingeläutet.
    Wer kann heute noch einen Belichtungsmesser einer alten Kamera restaurieren?
    Die F2As braucht eine komplette Überholung, so viel war mir klar. Verkaufen – niemals!
    Nun gut, auch hier in München gibt es „nette Schrauber“, aber ich wollte etwas ganz anderes.

    Nächtelang suchte ich im Internet, suchte, fragte an, wartete und hoffte. Und dabei traf ich immer wieder auf den Namen Sover Wong.
    Seine Webseite ist überaus informativ und läßt erahnen mit was für einem herausragendem Genie man es hier zu tun hat.
    Der kann wirklich alles! Kameras reparieren, überholen, restaurieren. Das war der, den ich suchte! 15 Monate Wartezeit. Kein Problem,
    das sitze ich ab. Die Zeit verging, vor vier Wochen kam das erlösende Mail, ich konnte meine zwei Nikon F2 Bodys nach England versenden.

    Nur zur Information, da schraubt nicht irgend jemand an Kameras rum.

    Nein, Sover zerlegt jede F2 Kameras völlig, beseitigt verfaulte oder klebrige Schaumstoffe, reinigt das innere der Kamera vollständig,
    beseitigt Korrosionsschäden z.B. vom Batteriefach, reinigt und schmiert den Sockel, und die Wicklungen des Verschlusses und der Spiegelmechanik
    und Spiegelkasten, justiert diese falls nötig, reinigt die internen Blitzschalterkontakte, säubert den Spiegel. Da sammelt sich einiger Dreck
    mit den Jahren in der Kamera.



    Zuvor trocken gelaufene Mechanik funktioniert nun wieder seidenweich und gleichmäßig.



    Er baut fehlende Ersatzteile nach, wie z.B. bei dem DP-12 Sucher, wo er den defekten Ringwiderstand durch einen neuen, selbst
    konstruierten ersetzte, justiert den Verschluss auf eine ¼ Blende genau (dokumentiert dies zudem mit einem ausführlichem Meßprotokoll)
    oder aber er baut bei Bedarf, wie bei meinem DP-11 geschehen auch mal eben neue Cds Messzellen ein. Da hüpft das Photoherz vor Freude!
    Auch dieser Sucher wurde auf eine 1/3 Blende genau kalibriert.

    Die Kommunikation mit diesem Wunderschrauber war wirklich vorbildlich. Über jeden einzelnen Schritt wurde in Wort und Bild berichtet.
    Zu jeden erdenklichen Zeitpunkt war ich stets im Bilde, was gerade mit der Kamera passierte.

    Als ich zwei Wochen später die beiden Kameras wieder in meinen Händen halten durfte standen mir dann doch leicht die Tränen in den Augen.
    Es ist einfach unfassbar, was dieser Mann mit einem über 40 Jahre altem Gehäuse zaubern kann! Der Transport läuft wie der Löffel im Honig,
    die Verschlusszeiten klingen dermaßen akkurat und präzise das bei mir nicht den geringste Zweifel aufkam. Die Messnadel des restaurierten
    DP-11 Suchers gleitet nun seidenweich zwischen + und -, es ist wirklich die reinste Freude.
    Ich werde den Verdacht nicht mehr los, eine neue Nikon F2 in meinen Händen zu halten.

    Bliebe noch die Frage nach dem Preis des ganzen? Klar, hier hat jemand Stunden über einer Kamera gesessen, hat überaus gewissenhaft
    und gründlich gearbeitet. Dazu noch die hohen versicherten Frachtkosten und dann, seit dem blöden Brexit auch noch der Zoll . . .
    Nur so viel sei gesagt: Von meiner Leica hatte ich mich zuvor schon getrennt. Ich bin einfach kein Messsuchertyp.
    Etwas Geld blieb noch für das eine oder andere Objektiv übrig, - und eine weitere Ersatzkamera. Auch ich fange an zu "bunkern" . . .

    Was ich mir noch wünschte? Das ich diese mechanische Freude meinen Kindern vererben kann.

    Dann hat sich mein Innvestment wirklich gelohnt – Leica hin oder her . . .

    PS: Bliebe noch anzumerken, das ich keine Sponsorengelder oder sonstige Vergünstigungen für diese Meinungsäußerung bekommen habe.

    Die zwei schönsten Geräusche der Welt sind: Ein Verschluss der sich öffnet und wieder schließt.

    Einmal editiert, zuletzt von der-photofreund (17. Juni 2021 um 12:20)

  • Eine Freude, das zu lesen!

    Spricht mir aus der Seele.

    Der Name Sover Wong ist notiert. Seine Webseite vermittelt den Eindruck, dass er Spezialist für die F2 ist.

    Repariert der auch andere alte Nikon-Schätzchen?

    Was bei dir die F2 ist, ist bei mir die F4.

    LG, Klaus
    ___
    Langeweile? Was ist das?

  • Schön mal einen sehr aktuellen Bericht zu Sover Wong's Arbeit zu lesen. Der Name ist mir immer wieder über den Weg gelaufen und ich hoffe, dass er immer noch tätig sein wird, falls meiner F2 mal etwas zustoßen sollte.

    Das letzte Mal hatte sich ihr jemand von Nikon in Norderstedt angenommen als die Mechanik des Blendenmitnehmers am DP-2 vergurkt war. Leider habe ich von diesem sowohl Namen als auch Telefonnummer verloren.

  • Eine Freude, das zu lesen!

    Spricht mir aus der Seele.

    Der Name Sover Wong ist notiert. Seine Webseite vermittelt den Eindruck, dass er Spezialist für die F2 ist.

    Repariert der auch andere alte Nikon-Schätzchen?

    Was bei dir die F2 ist, ist bei mir die F4.


    Nee, F4 Body macht der nicht. Nur die ehrlichen Nikon F2 Bodys. Das ist seine Welt.
    Wenn Du ließt, wie jemand so über die F2 Kameras sinnieren kann, verstehst Du warum er diese Fähigkeiten hat.

    Die zwei schönsten Geräusche der Welt sind: Ein Verschluss der sich öffnet und wieder schließt.

  • Dieses Thema ist nun eine Weile her - aus gegebenem Anlass komme ich darauf zurück. Bei einem Kurzurlaub in Dänemark lief mir eine F2 Photomic zu. Was mich zum Kauf bewog, war das Objektiv - ein Zeiss Planar 1,4/50. Leider ist das Filtergewinde etwas beschädigt, was mehr ein optischer denn ein funktioneller Makel ist. Der Verkäufer sprach davon, daß es im Hamburgischen eine Betrieb gibt, der dieses wieder instand setzen kann. Wer kann mir dazu weiterhelfen?

  • Das Werkzeug um Filtergewinde zu richten gehört eigentlich zur Standardausstattung einer Kamerawerkstatt, die analoges Equipment repariert. Ein Messing oder Alugewinde lässt sich sehr gut wieder hinbiegen, bei den aktuellen Objektiven gibt es oft nur Bruch. Am besten mal telefonisch nachfragen, mit dem entsprechenden Gerät ist das Gewinde in wenigen Minuten gerichtet. Schöne Kombi mit dem Planar.

  • Naja, es gibt schlimmeres. Und so spenden sie vielleicht noch wem Freunde. Kameraleichen lege ich hier bei uns in der Stadt einfach vors Haus. Die verschwinden so schnell, so schnell kannste gar nicht gucken. Wenn ich die Leute beim Mitnehmen sehe, sage ich meistens, dass das Gerät nicht funktioniert und die Antwort war bislang immer: „Das macht nichts, ich finde die einfach schön und stell sie mir hin.“

    Und wenn man dann noch sieht, was in so manchem Dekoladen an extra produziertem Neumüll steht und scheinbar such verkauft wird, ist doch diese Variante immerhin erwas besser. Und mangelt es wirklich an Exas und Exaktas?

  • Wenn ich die Leute beim Mitnehmen sehe, sage ich meistens, dass das Gerät nicht funktioniert und die Antwort war bislang immer: „Das macht nichts, ich finde die einfach schön und stell sie mir hin.

    Gegen Hinstellen als Deko- oder Vitrinenobjekt ist ja gar nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil.

    Das genau zeigt ja eine gewisse Wertschätzung dem alten Objekt gegenüber.

    Wenn ich aber so ein Objekt, das im Laufe der Jahrzehnte wer weiß wieviel Zeitgeschichte gesehen (und evtl. auf Film festgehalten) hat, durch destruktives Verändern einer scheinbaren, profanen Zweitnutzung zuführe und damit in modernen Dekomüll verwandle, ist das eher eine Frage des guten Geschmacks.

    (Ähnlich wie bei der alten 2CV4-Karosse, die ich kürzlich in einem Automuseum als öffentlichen Mülleimer umfunktioniert gesehen habe).

    Ich empfinde sowas als unethisch und als Ausdruck der modernen Wegwerfkultur, in der das ausrangierte Objekt nicht mehr gewertschätzt wird. Und nach rund einem Dutzend Jahren in der Beleuchtungsbranche drängt sich mir ganz nebenbei auch noch die Beobachtung auf, dass diese Kamera-Leuchten-Konstrukte funktional und beleuchtungstechnisch überhaupt keinen Sinn machen und im Zweifelsfall sogar gefährlich sind.

    Und mangelt es wirklich an Exas und Exaktas?

    Spielt für mich überhaupt keine Rolle. Deshalb muss man sie trotzdem nicht verhunzen.

    Unvergessen ist auch der allzu pragmatische Kamerasammler, der jedes einzelne seiner zum Teil noch funktionsfähigen Exponate mit 1-2 kräftigen Schrauben durch die Kamerarückwand an die Wand gedübelt hatte, damit seine Katzen beim Spaziergang durchs Kameraregal die Objekte nicht in Unordnung bringen.

    Aber vielleicht bin ich dafür zu sehr Kameraliebhaber. Da versuche ich doch eher zu konservieren und zu komplettieren als zu zerstören.

    LG, Klaus
    ___
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