knackige SchwarzWeiss Fotos

  • Bei SchwarzWeiss Fotos scheint die Erwartung zu bestehen, sie müssten besonders kontrastreich sein. In Internetforen wie z.B. flickr erfüllen SW Fotos häufig diesen Anspruch: sie haben einen Kontrast, der sich auf Papier niemals realisieren ließe und überschärft sind sie zudem.

    Hier der Aufmacher für eine Ratgeberseite:

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    So entwickeln Sie knackige Schwarzweißfotos

    Starke Kontraste, klare Formen: Gut gestaltete Schwarzweißfotos haben ihren ganz eigenen Reiz.

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    Wenn ich Ausstellungen mit Barytvergrößerungen von Fotografen aus der vordigitalen Zeit anschaue, haben diese Fotografen wohl meist "schlecht gestaltete Fotos" gemacht, denn der Bildeindruck war eher "sahning" denn "knackig".

  • Das ist ein interessanter Gedankenanstoss.

    Besonders kontrastreich und knackig ist wohl der Darstellung auf Monitoren geschuldet. Und weil es Dank dem Internet möglich ist, sein fotografisches Schaffen auf einfache Weise einem breiten Publikum zu zeigen, gibt es auch viel mehr Meinungen und speziell Erwartungen, wie ein Foto auszusehen hat.

    Ich habe auch Erwartungen. Und zwar an die Betrachter und Kritiker. Sie sollen sich unvoreingenommen auf das gezeigte Werk einlassen. Der Schöpfer des Werkes wird sich etwas dabei gedacht haben, oder konnte es nicht anders. Gestalterische Kriterien gibt es genügend. Feste Regeln gibt es aber nicht. Rezeption ist auch ein hartes Stück Arbeit.

  • Wenn ich Ausstellungen mit Barytvergrößerungen von Fotografen aus der vordigitalen Zeit anschaue, haben diese Fotografen wohl meist "schlecht gestaltete Fotos" gemacht, denn der Bildeindruck war eher "sahning" denn "knackig".

    Das ist m. E. der Unterschied zwischen real existierenden Prints und dem, was man digital zeigt. Wenn man Landschaften in Grad 5 abzieht, fehlt einem irgendwann was. Auf dem Monitor aber, der meist eh zu hell eingestellt ist, ist das Bild nur eine Nummer von sehr vielen und muss grafisch herausstechen. Also treibt man den Kontrast in die Extreme, damit Grafik da ist, aber auch Brillianz. So isses jedenfalls bei mir lange gewesen und vielleicht immer noch.

  • Ich denke das sich die Sehgewohnheiten sehr stark verändert haben.
    Wir verbringen heute sehr viel Zeit mit visuellen Durchlicht bzw. Selbstleuchtenden (Handy, TV, Computer, Werbescreens, usw) Inhalten zu.
    In der Vordigitalen-Zeit beherrschten Auflicht Medien (Bücher, Zeitungen, Fotos, Plackate, Litfassäulen usw) unsere Welt.
    Da kontrastreiche helle Objekte einfacher zu erfassen sind und das Angegebot allgegewärtig ist, hat sich unser Blick/Empfinden
    einfach daran gewöhnt. Die klassischen Vorlagen werden so als schlecht empfunden.

    Aber was ist schon gut oder schlecht?

    es ist Zeit zu gehen

  • Bilder mit knackigen Kontrasten werden von vielen Betrachtern auch als schärfer empfunden. Eine ähnliche Entwicklung sehe ich beim Hören von Musik. Datenreduzierte Kost als Stream aber wenn es wummernde Bässe und schrille Höhen gibt reicht es den meisten.

  • Das war ein Grund, weshalb ich meine Digitalkamera (Fuji xt3) wieder verkauft habe. Das ist mir alles viel zu kontrastreich und im Nachhinein am RAW rumzudrehen, habe ich keine Lust.

    Verkaufen tut garnicht not. Es genügt normalerweise, die Voreinstellungen vom "Shopmodus" auf "vernünftige" Werte zurückzuschrauben. Und was "raw" betriftt: Das muss quasi die Gesamtheit der verfügbaren Informationen enthalten, sonst lässt sich da nicht viel entwickeln.

    Edit: Jockel123 war schneller!

    Al é bun sciöch' al é ...

  • Zwei Dinge noch, die mir noch eingefallen sind.

    1. In der Nikon-Fotoschule aus den 1980ern sind die SW-Fotografien, die mit Kleinbild aufgenommen wurden, ebenfalls sehr SW, sehr kontrastreich, sehr in die Extreme getrieben, allerdings nicht so, dass dem Hauptsujet die Lichter oder Schatten abhanden kommen und die Formbinnenstrukturen wegfallen. Das setzt sich fort in die Fotoheft-Literatur der 1990er und 2000er Jahre. Wenn ich mir ein "schwarzweiss" oder meine Ausgaben des "Black and White Magazine" anschaue, dann sind dort auch sehr viele sehr kontrastreich ausgearbeitete Bilder. Allerdings sind die meistens noch durchgezeichnet. Meine "camera"-Hefte aus der Allan-Porter-Zeit, ein liebenswürdiger Zeitgenosse!, sind auch viel weicher. Viele SW-Bilder sah man früher (1950er/1970er) ja in Heften, z.B. die Reportagen des René Burri, des Cartier-Bresson, des Herbert List. Die Drucktechnik arbeitete damals ebenfalls viel weicher, und das Papier war gewöhnlicher, und außerdem ist es heute vergilbt.

    2. das Vergrößern in der Dunkelkammer erfolgt mit Licht. Selbst wenn alle Wände schwarz gestrichen sind, bleibt noch Streulicht, aus dem Vergrößerer, sogar aus dem Objektiv, das z.B. von der Blattoberfläche reflektiert wird und die ganze Dunkelkammer ausleuchtet, wenn man sich da mal genauer umschaut. Dieses Streulicht mindert den Kontrast. Im Digitaldruck gibt es dieses Streulicht nicht. Da werden nur Farblösungen und / oder Pigmente aufgetragen, und zwar in definierten Stärken und nur dort, wo sie hingehören. Das erhöht die Deutlichkeit der Formstrukturierung, aber auch den Mikrokontrast. Ein Streulichtschleier o.ä., der das ganze Bild in den Tonwerten moderiert, eben, die "Sahne", ist da auch nicht mehr vorhanden. Bei den Pixeln am Bildschirm ist das meiner Vermutung nach ähnlich. - Das erklärt aber noch nicht, warum so viele SW-Bilder auf dem Bildschirm so stark kontrastiert herausgegeben werden.

  • Das mit der Filmsimulation und Einstellungen in der Kamera habe ich nicht hingekriegt. Dafür ticke ich wahrscheinlich zu analog : )

    @asak_maboul: Ich habe gerade bei den SW-Zeitschriften, aber auch bei SW-Wettbewerben so dass Gefühl, dass die am liebsten sämtliche Zonen auf dem Bild haben möchten und wehe der dunkelsten Ton ist nur ein mittlerer Grauton. Das geht dann gar nicht.

  • Das mit der Filmsimulation und Einstellungen in der Kamera habe ich nicht hingekriegt. Dafür ticke ich wahrscheinlich zu analog : )

    @asak_maboul: Ich habe gerade bei den SW-Zeitschriften, aber auch bei SW-Wettbewerben so dass Gefühl, dass die am liebsten sämtliche Zonen auf dem Bild haben möchten und wehe der dunkelsten Ton ist nur ein mittlerer Grauton. Das geht dann gar nicht.

    Ja klar, und alles schön durchgezeichnet, brilliant usw. - Das Leben is aber sehr oft einfach nur "mushy flat". - Aber vielleicht meint Dieter ja noch was anderes. Im Jeu de Paume laufen ab und an so schöne Ausstellungen, Willy Ronis, oder im MEP im Maraisviertel, Pierre Verger, in denen Barytprints in kleinen Rahmen hängen, Format vielleicht 18x24: man hat das Gefühl, es handelt sich um Gemmen, um Preziosen, mit cremigen Übergängen und wertvoll schimmerndem Kontrasten.Jedenfalls scheint bereits die Oberfläche der Bilder eine Räumlichkeit zu haben. Schwarz und Weiss sind da nur die Endpunkte in einem Aus-der-Bildtiefe-Hervorkommen von Tonwerten. Ich habe so ein Fotobuch aus den 1950er, Luis Demmler: "Ratgeber im Fotografieren", da ist hinten Werbung für Mimosa-Papiere. Eine Berglandschaft mit Schnee auf der Hütte. Ich habe das nie so weich und doch brilliant hingekriegt. - Bei manchen elektronisch verarbeiteten SW-Bildern im Netz wird das reine Schwarz zu einer bildübergreifenden grafischen Struktur, die das Bild flach macht.

    Retratos da Bahia
    pierreverger.org
  • Es geht mir - auch - um die verbreitete Erwartungshaltung an SchwarzWeiß Fotos. Der Ausdruck "knackig" ist dabei nicht von mir, sondern er taucht häufig als Attribut von SchwarzWeiss Bildern auf.

    Ich werde gelegentlich verwundert angeschaut oder auch schon mal als romantisch tituliert, weil ich SchwarzWeiss auf Film fotografiere, obwohl ich eine recht ordentliche Digitalkamera - für Farbe - habe. Der Film aber liefert mir ohne große EBV-Tricks oder -Filter das "sahnige" Aussehen der Fotos, das ich anstrebe. Auch deshalb nutze ich bei hybrider Vorgehensweise einen Scanner, der ohne Nachschärfung auskommt, denn auch die verändert das Aussehen der Bilder in Richtung "knackig", steigert also den Kontrast.

    Meine Referenz für Fotografie ist immer das Bild auf Papier. Deshalb ist für mich der Maßstab, wie ein Foto aussieht, in Galeriebesuchen zu finden. Das kann auch ein Ton in Ton - Grauwerten - sein.

    Man findet gelegentlich Aussagen der Art " das ist so graphisch, das geht auch in SchwarzWeiss", womit die Erwartung an SchwarzWeiss Fotograien ausgedrückt wird, ein graphischer "Eyecatcher" zu sein. Ein schneller Blick und das Bild ist verstanden und erfasst und vergessen.

    Einmal editiert, zuletzt von Diesch (18. November 2022 um 17:19)

  • Ich habe gerade bei den SW-Zeitschriften, aber auch bei SW-Wettbewerben so dass Gefühl, dass die am liebsten sämtliche Zonen auf dem Bild haben möchten und wehe der dunkelsten Ton ist nur ein mittlerer Grauton. Das geht dann gar nicht.

    Nun, das wurde in analoger Zeit auch so gelehrt, zumindest an meiner Uni:

    "Schwarz und Weiß im Bild, Schatten und Lichter mit Zeichnung" waren Grundanforderungen an das Beherrschen der Schwarz/Weiß-Technik.

    War man in seinen Bildern davon abgewichen, musste man das mit Verweis auf die beabsichtigte Bildaussage nachvollziehbar begründen können, um nicht den Eindruck zu erwecken, das Bild sei zufällig bzw. "ungekonnt" abgesoffen, ausgefressen oder flau.

    Dahinter stand die allseits bekannte Grundregel, die mir seinerzeit ins Hirn gehämmert wurde: "Wenn du die Regeln beherrschst, kannst du sie bewusst brechen, aber nicht vorher." Es gab zu jeder Zeit (durchaus namhafte) Kandidaten, bei deren Präsentationen man den Eindruck nicht los wurde, dass sie Ersteres nicht abgewartet haben, aber stets wortreich zu begründen wussten, warum ihre Bilder genau so flau etc. sein mussten.

    Ich muss gestehen, dass mich diese Regeln bis zum heutigen Tag prägen, egal ob analog oder digital. Was nicht heisst, dass ich nicht auch gerade in der Architekturfotografie Bildern mit harten Schlagschatten und Messung auf die Lichter durchaus etwas abgewinnen kann.

    LG, Klaus
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    Langeweile? Was ist das?

  • Ich komme halt aus der bildenden Kunst und habe von daher vielleicht einen gänzlich anderen Blick auf die Fotografie. Ich musste auch nie Auftragsarbeiten anfertigen, an die Kunden bestimmte Anforderungen und Erwartungen haben. Und für die Zeitungen, für die ich beruflich fotografiert habe, habe ich immer nur irgendwie rumgeknipst und mir nie Mühe gegeben, um meine Leistung den Honoraren anzupassen : )

  • Den letzten Beitrag verstehe ich nicht.

    Ich habe dieses Thema angestoßen, um die Erwartung an ein SchwarzWeiss-Foto zu besprechen. Anlass war irgendwo eine Anmerkung, in der von matschigem Grau in SchwarzWeiss-Fotos die Rede war.

    "Schwarz und Weiß im Bild, Schatten und Lichter mit Zeichnung" waren Grundanforderungen an das Beherrschen der Schwarz/Weiß-Technik.

    Unter den Autorenfotografen gab es solche, die von dieser kunstgewerblichen Auffassung abgewichen sind - z.B. Michael Schmidt.

  • Guckt euch doch mal den Unterschied zwischen den alten piktorialistischen Bildern von Leonard Misonne und Co. (ich denke mal, das war auch der Sinn von Matthias' Bildposting oben) oder auch den frühen Hollywoodfotografen wie George Hurrell im Vergleich zu den heutigen SW-Bildern an, die auf Covern von Digitalfotozeitschriften zu finden sind.

    Ein Wollensak Verito-Weichzeichner macht ganz einfach andere Bilder als ein heutiges knachscharfes vollkommen auskorrigiertes Digitalobjektiv. Das Ganze dann noch auf Fotopapier abgezogen im Vergleich zum Blick auf den Monitor. Ist doch eigentlich ganz klar, dass das etwas VÖLLIG anderes ist (ohne die Ergebnisse jetzt bewerten zu wollen).

    Interessant finde ich, dass selbst jemand wie George Hurrell mit einem anderen, neueren Objektiv und Farbfilm mit einmal gar nicht mehr so genial war. ( Vielleicht brauchte das Arbeiten mit dem neuen Material auch erstmal Übung, keine Ahnung)

  • Also wenn du Erwartung an "ein" SW-Foto besprechen willst dann musst du präzisieren, um welches es sich handeln soll. Es gibt unendlicg viele Zielsetzungen und damit entsprechend viele Erwartungen.

    Sahnig waren vor allem die Bilder aus der ersten Hälfte des vergangenen Jh. weil das Material nichts anderes hergab. In den 80ern sah das schon anders aus. Ich würde bspw. weder diene Bilder noch die von Adams als sahnig bezeichnen sondern als knackig. Mit "gestalten" hat der Kontrast m.E. nun auch nix zu tun.

    Und wenn du eine grüne fotografierst und dabei noch unterbelichtest wird es so "matschig" das man es sicher nicht wegdiskutieren kann und sich den Artikel "So entwickeln sie knackige Schwarz-Weiß Foto" durch aus zu Gemüte führen sollte.

    Zusammengefasst hängt die Erwartung davon ab, was der Fotografierende will, was der Betrachter sich vorstellt oder zu welchem Zweck das Bild erstellt wurde.

    Das es ein sahniger Barythprint in 30x40 neben einen 60x80 Fernseher auf dem Fast & Furious schwer hat kommt erst danach.

    Gruss Sven

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