Mir schickte jemand mal die Kopie eines Aufsatzes von Hans Windisch, der nach der Seitennote zu urteilen wohl aus dem Jahr 1934 stammen könnte und mit dem Teitel überschrieben ist: "Mein Freund, der Plasmat!". Darin stimmt der Erfinder vieler Entwickler (auch des Neofin) und Verfasser des in vielen Auflagen gedruckten Lehrbuchs "Die neue Photo-Schule" ein Loblied auf diesen Raumzeichner an, für den er bereit war, alle bis dato gekauften Apparate zu verkaufen, um Geld für eine Bentzin-Primar mit Meyer Satz-Plasmat zu haben. Hier ein Auszug:
Nachdem er die Freuden beschrieben hat, in einem (Satz-)Objektiv gleich mehrere Objektive zu vereinen (für Landschaft, Fernsichten, Porträts und - abgeblendet- auch für Repros, und wegen der hohen Lichtstärke sogar für Sportaufnahmen, wendet er sich den Blumen zu und holt tief Luft :
"Und hier sei gleich eins verraten: Man zeige mir Blumenaufnahmen, die mit zehn verschiedenen Optiken aufgenommen sind, ich will die herausfinden, die mit dem Plasmaten gemacht worden sind. Er allein gibt seiner runden, plastischen Zeichnungen wegen bei Blumen und bei Porträts das, was man eigentlich mit keiner Lupe nachweisen kann: Den Schmelz, den Duft. Kennen wir nicht alle diese unglückseligen Blumenaufnahmen, die Blüten aus Papier und die Blätter aus Blech? Plasmatblumen sehen anders aus.
Man muß sich nun fragen: Wie kommt dieser 'Schmelz' zustande? Er ist letzten Endes nichts anderes als eine tiefer abgerundete Darstellung des R ä u m l i c h e n (denn 'Plastik' ist R a u m empfinden) im Gegensatz zu der gewissen Flachheit. die der bisherige Anastigmat gab, der in der Einstellebene gestochen scharf arbeitete, um kurz vor und hinter der Einstellebene dafür um so verblasener und nebliger zu werden.
Der Plasmat nimmt die gestochene, beinahe mikroskopische Schärfe aus der Einstellebene weg, verteilt sie gleichmäßiger und tiefer diesseits und jenseits und erfüllt damit einen viel tiefer gegliederten Raum mit plastischer Darstellung. Die gestochene Schärfe der Einstellebene beleididigte unser Auge bisher mit ihrer spitzigen Härte, und in den dicht benachbarten Nebeln der Unschärfe irrte das Auge ratlos umher. Alles das gleicht der Plasmat aus, und am besten gerade da, wo lichtstarke Optik am gefährlichsten ist, bei voller Öffnung.
Nun könnte man sagen: Schön, wenn sich um die Tiefenschärfe handelt, die kann ich schließlich haben, wenn ich jeden beliebigen Feld-, Wald- und Wiesen-Anastigmaten abblende. Allerdings. Nur, es wird nichts weiter erreicht, als daß sich die gestochen scharfe Zone vergrößert, wiederum von einem plötzlichen Schärfenabfall diesseits und jenseits der Einstellebene eingerahmt. Das Resultat ist dann immer noch: Grauenhafte Genauigkeit, statt harmonischer, wohltuender Abrundung.
...
Wir haben mit dem Plasmaten eine der painlichsten photographischen Erscheinungen soweit überwunden, als das bisher möglich ist: Das krasse Beieinander von mikroskopischer Schärfe und verfließender Formlosigkeit. Unser Auge ist lebendig, es tastet die Gegenstände nach der Tife, durch blitzschnelle Veränderung seines Meniskus, seiner 'Brennlänge' ab und gewinnt so R a u m empfinden, ein Raumempfinden, wie es etwa eine im Dunkeln tastende Hand vermittelt.
Ein photographisches Objektiv aber ist starr und unveränderlich, wenn es den einmaligen Lichteindruck auf die Platte wirft.Und das Objektiv kommt unseren Auge am nächsten, das nicht wie ein Köter auf der Einstellebene - und da aber festgenagelt - hockt, sondern das den Raum abtastet! Jedes Stück des Raum mit gleicher Liebe und ohne diese blinde Leidenschaft zur Einstellebene! "
Genug! Nein, wenn schon, dann soll auch der letzte Absatz von Windischs Liebeserklärung an den Plasmaten nicht fehlen:
"Oft kommt einem das Empfinden, das da vorn ist nicht eine tote Glasscherbe, es ist etwas Lebendiges, Denkendes. Irgendjemand hat gesagt: Höchste Mathematik berühre sich wieder mit höchster Kunst. Hier ist eine solche Brücke. Lebendigste Mathematik."
Guten Tag! :smile:
Uli